Entnommen: https://linkezeitung.de/2024/11/21/der-biden-putsch/
Der Biden-Putsch
von LZ am 21. November 2024
Von Dagmar Henn - https://rtnewsde.com
Die Entscheidung des Weißen Hauses, den Einsatz von US-Raketen mit einer
Reichweite von bis zu 300 Kilometer gegen Russland freizugeben, ist
nicht einfach nur gefährlich und dumm, sie ist ein erfolgreicher
Versuch, Trumps Optionen zu beschneiden.
Man muss nicht einmal die Titelseite der Tageszeitung taz von gestern
betrachten, um zu erkennen, dass all die Verfechter von "Freiheit und
Demokratie" sich vor Freude fast nicht mehr einkriegen, weil ihnen die
Aussicht auf einen Dritten Weltkrieg so verheißungsvoll erscheint.
Deshalb verwundert es in diesem Zusammenhang auch nicht, dass nirgends
der Gedanke auftaucht, wie zutiefst undemokratisch ein derartiges
Handeln der abgewählten US-Regierung ist. Wobei man natürlich bereits
gewohnt ist, dass diejenigen, die sich am lautesten zu den Verfechtern
der Demokratie erklären, und sie gerne unter Einsatz aller Waffen
verbreiten wollen, erstaunlich unempfindlich sind, wenn tatsächlich
gegen demokratische Regeln verstoßen wird.
Wie die USA den Raketeneinsatz gegen Russland steuern
Da ist erst einmal die Qualität der Handlung selbst. Nachdem die
russische Nukleardoktrin nun geändert wurde, und damit in einem
offiziellen, auch für die russische Regierung bindenden Dokument
festgelegt ist, was als Kriegshandlung gegen Russland gesehen wird,
steht unzweifelhaft fest, dass die Genehmigung durch US-Präsident Joe
Biden (oder vielmehr durch seine Lenker), den Einsatz von ATACMS-Raketen
freizugeben, bedeutet, dass jederzeit eine solche Kriegshandlung gegen
Russland geschehen kann.
(Der Angriff gegen Brjansk fand in einer Grauzone statt; zum einen
wurden alle Raketen abgeschossen und zum anderen war die neue Doktrin
noch nicht in Kraft. Wenn eines bezogen auf Putin feststeht, dann, dass
er eine derart schwerwiegende Entscheidung, wie es eine Reaktion auf
einen derartigen Angriff wäre, nicht ohne die entsprechende rechtliche
Grundlage fällt.)
Aber auch das US-Rechtssystem sieht es nicht vor, die Entscheidung über
Krieg und Frieden dem Präsidenten zu überlassen, sondern verlangt die
Zustimmung des Kongresses. Diese Festlegung wurde in den vergangenen
Jahrzehnten immer wieder einmal unterlaufen, dabei handelte es sich
jedoch nicht um eine auch für die Vereinigten Staaten selbst
möglicherweise existenzielle Auseinandersetzung. Dass ein derartiges
Handeln seitens Biden (oder seiner Lenker) im Kern illegal ist, weil es
die Befugnisse des Präsidenten überschreitet, ist die erste Tatsache,
die nicht berichtet oder wahrgenommen wird.
Die zweite ist, dass hier eine Regierung handelt, die bereits abgewählt
ist. Man muss nicht gleich so weit gehen wie Scott Ritter, der gestern
in einem Gespräch mit Garland Nixon vom "stärksten populären Mandat, das
ich je gesehen habe" sprach; aber dieser Punkt kann auf keinen Fall
übergangen werden. Die klassische Bezeichnung in den USA für einen
abtretenden Präsidenten in der Zeit zwischen Wahl und Amtsübergabe ist
"lame duck", eine lahme Ente. Hinter diesem Begriff verbirgt sich jedoch
die Überzeugung, dass die bereits getroffene Wahlentscheidung
respektiert werden müsse.
Deutschland erweist sich als "Dissident" im Krieg des Westens mit Russland
Kein formales, sondern Gewohnheitsrecht, aber dennoch handelt es sich um
eine grundlegende Frage des demokratischen Verständnisses. Auf der
politischen Ebene ist die Auslösung eines (möglicherweise nuklearen)
Krieges durch eine scheidende Regierung geradezu atemberaubend
übergriffig. Was übrigens selbst dann gälte, wenn dieses Handeln
rechtmäßig durch den Kongress abgesegnet wäre, denn auch eine ganze
Reihe der Abgeordneten befindet sich in einem ähnlichen Zustand
eingeschränkter Legitimität.
Traditionell sind sogar bedeutendere Gesetzesvorhaben in dieser Phase
auf Eis gelegt worden. Maßnahmen, um einen möglichen Nachfolger an einer
Änderung des politischen Kurses zu hindern, sind selten, und auch der
bekannteste Fall, als Abraham Lincoln mitten im Bürgerkrieg 1864
fürchtete, die Wahlen zu verlieren, und deshalb die militärische
Offensive beschleunigte, damit sein möglicher demokratischer Nachfolger
den Sieg des Nordens nicht mehr durch einen Friedensschluss verhindern
konnte, ereignete sich vor der Wahl und nicht zwischen Wahl und
Amtsantritt.
Was Biden (oder seine Lenker) getan haben, hat also eine im Zusammenhang
der US-Politik außergewöhnliche Qualität, und man kann es im Grunde nur
als Putsch bezeichnen. Die möglichen Konsequenzen gehen weit über ein
reines Erschweren eines Übergangs der Amtsgewalt hinaus, und die
Handlung selbst missachtet demokratische Grundsätze in mehr als einer
Hinsicht.
Dafür ist es in den Vereinigten Staaten erstaunlich still. Ein Tweet von
Trump Junior und ein von Alex Jones propagierter Anlauf zu einem
Impeachment? Immerhin geht es hier nicht um eine Änderung der
Verkehrsregeln, sondern um einen Weltkrieg. Nachdem gerade erst einer
der erbittertsten Wahlkämpfe in der US-Geschichte endete (es ist
fraglich, ob mit dieser Mischung aus fingierten Gerichtsverfahren,
medialem Dauerfeuer und Mordanschlägen überhaupt einer mithalten kann),
sollten sich die US-Bürger auf derart beiläufig-banale Weise in den
Untergang ziehen lassen?
Reuters: Putin offen für Gespräche mit Trump über Waffenruhe in der Ukraine
Donald Trump jedenfalls hat sich seit dem fatalen Beschluss nur zum
Start von SpaceX geäußert. Da ist nur ein Kommentar von Donald Trump Jr.
auf X: "Das amerikanische Volk will Frieden, nicht endlosen Krieg!"
Sollte es innerhalb der Vereinigten Staaten also keine Gegenwehr geben?
Theoretisch bestünde die Möglichkeit eines Impeachments, so wie Alex
Jones es propagiert und einer der prominentesten Menschenrechtsanwälte
der USA, Dr. Francis Boyle, es verfasst hat. Allerdings ist fraglich,
inwieweit der Versuch eines Impeachments zum Erfolg führen kann.
Das erste und offensichtlichste Problem ist, dass eine Absetzung von
Präsident Biden durch den Kongress erst einmal eine unmittelbare Folge
hätte – eine Präsidentin Kamala Harris. Da beide nur begrenzt souverän
handelnde Personen sind, sich die Personen im Hintergrund aber nicht
ändern, wäre das Ergebnis gleich null. Gäbe es (und hier sind wir schon
in einem extrem unwahrscheinlichen Bereich, denn in zwei Monaten heißt
der US-Präsident Donald Trump) ein zweites erfolgreiches Impeachment
gegen Harris, würde in der verbliebenen Zeit der Sprecher des
Repräsentantenhauses, Mike Johnson, die Staatsführung übernehmen.
Allerdings – nicht alle Abgeordneten der Republikaner unterstützen
Trump, und eine Reihe der sogenannten "Rinos" (übersetzt "nur dem Namen
nach Republikaner") wird im neuen Kongress durch Trump-loyale
Abgeordnete ersetzt, was sie sehr anfällig dafür machen dürfte, auf den
letzten Metern noch einen privaten Kompromiss mit den Demokraten zu
schließen. Was bedeutet, dass eine Mehrheit für eine Absetzung schwierig
werden könnte.
Mit einer Mehrheitsentscheidung des Repräsentantenhauses ist ein
Impeachment aber noch nicht zu Ende. Eine Absetzung erfolgt erst durch
eine Verurteilung im Senat, in dem derzeit eine demokratische Mehrheit
herrscht. Mindestens zwei Senatoren müssten mit den Republikanern
stimmen, vorausgesetzt, diese stimmten einheitlich, um sie zu erreichen.
Das ist vielleicht bei den vier an die Demokraten angeschlossenen
unabhängigen Senatoren möglich, aber nicht sicher. Dazu käme noch, dass
im Senat das berühmte Filibustern praktiziert wird – das Verzögern einer
Entscheidung durch endlose Reden.
Medienberichte: Washington liefert nun auch Antipersonenminen an die Ukraine
In Summe bedeutet das: Ein Antrag auf Impeachment hätte einen
symbolischen Wert, mehr aber auch nicht. Damit sind die möglichen
parlamentarischen Mittel erschöpft. Wenn Joe Biden (oder seine Lenker)
also tatsächlich die verbliebene Zeit nutzen, um die USA in einen
offenen Krieg mit Russland zu ziehen, helfen die vorgesehenen
rechtlichen Möglichkeiten nicht weiter. Und der Sprecher des State
Department, Matthew Miller, hat bereits Unnachgiebigkeit signalisiert:
Biden sei "für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt, nicht für eine von
drei Jahren und zehn Monaten".
Damit bliebe, abgesehen von einer gewaltigen Massenbewegung gegen diese
Kriegspolitik, die in dieser Geschwindigkeit auch kaum zu erwarten ist,
nur noch eine vage letzte Möglichkeit, um die von Biden (oder seinen
Lenkern) vorgesehene Eskalation zu verhindern – eine Befehlsverweigerung
innerhalb des Militärs. Dafür gäbe es durchaus gleich eine Reihe von
Gründen; beginnend damit, dass spätestens, seit Biden als Kandidat der
Demokraten abgesetzt wurde, unklar ist, bei wem die Befehlskette
überhaupt beginnt, bzw. ob es sich dabei tatsächlich um Joe Biden
handelt, bis zu den anderen von Boyle vorgetragenen rechtlichen
Argumenten. Aber wie wahrscheinlich wäre eine solche Reaktion, selbst
angesichts des Risikos eines Atomkriegs?
Würde Biden – oder eben vielmehr seine Lenker – so weit gehen? Es ist
schwierig, das Ausmaß der Irrationalität zu ermessen, zu der jemand
fähig ist, der persönlich in dem einen wie in dem anderen Fall verliert,
was für viele Angehörige der Biden-Regierung zutreffen dürfte – selbst
wenn Trump nur einen Teil seines angekündigten Programms umsetzt. Man
denke nur daran, dass das Pentagon, das gelegentlich mal die eine oder
andere Milliarde "findet", inzwischen zum siebten Mal die Finanzprüfung
nicht bestanden hat. Das macht es natürlich besonders schwierig, wenn
ausgerechnet aus dem Pentagon Widerstand gegen die Bidensche Eskalation
erfolgen müsste …
Könnte es Absprachen zwischen Trump und der Biden-Mannschaft geben,
jetzt vielleicht etwas zu eskalieren, um dann wieder zurückzufahren und
das als Befriedung auf Bidens Punkteliste zu verbuchen? Ich zumindest
tue mich schwer damit, das zu glauben. Dafür gingen die Angriffe während
des Wahlkampfs zu weit. Der Mordanschlag in Butler war echt, und kleine
Deals mit den Hinterleuten zu machen, die dennoch ein hohes reales
Risiko erzeugen, nur damit ausgerechnet sie gut davonkommen, halte ich
für ziemlich unwahrscheinlich. Dafür ist so etwas wie ein Mordversuch
doch zu persönlich.
Pentagon: Eskalation in Ukraine-Konflikt bedeutet nicht Ausbruch eines Weltkriegs
Vielleicht, sehr vielleicht, gibt es Absprachen in Richtung Russland,
nach Möglichkeit in den kommenden zwei Monaten nicht zu eskalieren.
Andererseits ist die russische Reaktion in der Regel vorsichtig, auch
ohne irgendwelche Absprachen. Es sind jedoch Szenarien denkbar, in denen
eine Reaktion unvermeidlich ist.
Was, wenn nicht die bereits bekannten, ballistischen ATACMS abgefeuert
werden, sondern JASSMs oder – dem gegenwärtigen Bundestag wäre es
zuzutrauen – Taurus-Raketen? Die beiden letzteren sind Lenkraketen, also
nicht so einfach zu berechnen wie ballistische Geschosse, haben beide
Sprengköpfe von 450 Kilogramm (bei den weiter reichenden Varianten der
ATACMS sind es nur noch 150) und haben eine Reichweite von 500 (Taurus)
oder 900 (JASSM) Kilometern. Diese beiden wären vermutlich auch für
Atomkraftwerke gefährlich. Im August wurde von Reuters bereits gemeldet,
dass eine Lieferung von JASSMs an die Ukraine bevorstehe. Offiziell ist
sie noch nicht erfolgt, aber da waren diese zwei gesperrten Flughäfen
in Deutschland …
Es gibt ein weiteres Signal, das belegt, wie weit die Biden-Mannschaft
zu gehen bereit ist: die Lieferung von Antipersonen-Landminen an die
Ukraine. Sicher hat das auch den schlichten praktischen Vorzug, dass das
die Entsorgung spart – aber der Einsatz dieser Minen ist inzwischen
weitgehend verboten, sofern sie nicht automatisch abgeschaltet werden
können, weil sie noch über Jahrzehnte eine Gefahr für die Bevölkerung
darstellen, weshalb sie bisher auch nicht geliefert wurden. Über 150
Länder haben bereits den Einsatz von Landminen untersagt, allerdings
weder die USA noch Russland. Die gelieferten Minen, so die Erklärung der
US-Regierung, hätten einen batteriebetriebenen Zünder, und die Batterie
erschöpfe sehr schnell … aber wer das Kiewer Verhalten kennt, weiß,
dass diese Minen vor allem in der Nähe der Wohngebiete enden werden.
Es wird derzeit also fast täglich ein wenig weiter eskaliert. Womöglich
ist das bisherige Schweigen von Donald Trump schlicht ein Ergebnis der
Ratlosigkeit. Gäbe es lauten Protest aus der EU, könnte das das Risiko
vielleicht etwas verringern – aber das dortige Personal wirkt fast, als
habe es sich mit dem Jahrgang 1914 besoffen. Wie auch immer, auch diese
Lage wird sich klären. Die Frage ist nur, ob das, was man dann bestätigt
bekommt, etwas ist, das man bestätigt haben will.
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